Museum für Sepulkralkultur

Museum für Sepulkralkultur

Das Museum für Sepulkralkultur gibt es schon seit 1992. Es ist dem Themenfeld Sterben, Tod, Bestattung, Trauer und Gedenken gewidmet. Durch Aufklärung, Beratung und Vermittlung in Ausstellungen, Tagungen, Vorträgen, Seminaren und Veranstaltungen gelingt es, Diskurse anzustoßen, die einerseits den Wandel der Sepulkralkultur lebendig begleiten und andererseits die Möglichkeit für eine bewusste Auseinandersetzung mit dem Tod bieten: Dies evoziert nicht nur die Chance vielfältiger Selbstreflexion, sondern trägt maßgeblich dazu bei, die besondere Wertigkeit, Einmaligkeit und Würde unseres menschlichen Daseins zu erkennen.

Die zentralen Aufgaben des Museums für Sepulkralkultur und des zugehörigen Zentralinstituts bestehen darin, kulturelle Werte in den Bereichen des Bestattungs-, Friedhofs- und Denkmalwesens zu erforschen, zu fördern und zu vermitteln. Sie informieren die Öffentlichkeit über den gesellschaftlichen Konsens – aber auch über legitime Konflikte – zum Umgang mit Sterben, Tod und Trauer und veranschaulichen die damit verbundenen kulturhistorischen Hintergründe und Veränderungen.

Das Fundament des Museums ist die im deutschsprachigen Raum gewachsene Sepulkralkultur. Objekte aus dem 15. Jahrhundert bis heute zeigen, wie in Deutschland bestattet, die Sterbenden begleitet und der Verstorbenen gedacht wurde. Auch werden gesellschaftliche Veränderungen, die wiederum Auswirkungen auf die hiesige Bestattungskultur haben, berücksichtigt. So gibt es in der Dauerausstellung bereits einen Bereich zu multikulturellen Bestattungsformen.

Das Wissen um die eigenen Traditionen stärkt auch das Verständnis für fremde oder neue Bräuche und auch für andere Kulturen. Denn jede Kultur und Religion verabschiedet sich auf andere Weise von ihren Verstorbenen und bereitet sich auf das Sterben vor. Gerade in einer multikulturellen Gesellschaft kommen Notwendigkeiten im Hinblick auf die Bestattung und verschiedenste Ideenwelten zusammen, die als interkulturelles Konstrukt einer sich transformierenden Sepulkralkultur erfahrbar werden sollen.

 

MEMENTO

Im Kraftfeld der Erinnerungen

Eine Ausstellung zu individuellen Formen des Erinnerns und Gedenkens

Das Museum für Sepulkralkultur widmet sich in der Ausstellung „MEMENTO – Im Kraftfeld der Erinnerungen“ mit einer Auswahl von internationalen zeitgenössischen Kunstwerken und kulturhistorischen Zeugnissen individuellen Formen des Erinnerns und Gedenkens. Der Titel verweist zugleich auf die anziehende und abstoßende Wirkung von Erinnerungen an Menschen und Erlebnisse, die im Strom der Zeit verloren gingen. Die Anziehungskraft von Gedanken an das Vergangene und von Erinnerungsbildern, die aufgrund ihres schmerzhaft psychischen und emotionalen Potenzials häufig auch mit inneren Abwehrmechanismen einhergehen können, lässt Menschen ihre präsente Gegenwart – das Hier und Jetzt – verlassen. Dies kann eine Flucht vor aktuellen Lebenssituationen sein, doch bietet es im Rahmen von Trauerarbeit zugleich einen Schlüssel, um nach einem schweren Verlust in ein bewusstes und präsentes Leben zurückkehren zu können.

Nachdem die Ausstellung LAMENTO – Trauer und Tränen (11/2019 – 03/2020) im Museum für Sepulkralkultur dem Phänomen des Weinens und den unmittelbaren Affekten und Emotionen, die der Tod eines nahen Menschen auslöst, gewidmet war, wird sich die inhaltlich anschließende Ausstellung MEMENTO – Im Kraftfeld der Erinnerungen mit unterschiedlichsten Formen des individuellen Erinnerns und Gedenkens an Verstorbene auseinandersetzen.

Die Art und Weise, wie Menschen den Verlust von vertrauten und geliebten Personen verarbeiten und darin ihre emotionale Betroffenheit zum Ausdruck bringen, wird neben kulturellen Traditionen, ideologischen und gesellschaftlichen Werten oder kollektivem Geschichtsbewusstsein maßgeblich von individuellen Wesenszügen und von den jeweiligen Lebenssituationen geprägt. Erinnerungen unterliegen – je nach Situation und Lebensphase – einem stetigen Wandel, der ihre Bedeutungen und auch ihren Sinn umfasst. Viele Menschen suchen daher eine persönliche Sprache und Form der Vergegenwärtigung des Vergangenen, indem sie Erinnerungen in sinnliche erlebbare Handlungen transformieren oder persönliche Hinterlassenschaften als plastische Erinnerungsträger sorgsam aufbewahren. Feierlich, traurig, lamentierend und klagend, laut und extrovertiert, tänzerisch, im Stillen oder in Form von rituellen Handlungen erinnern und gedenken Angehörige und Freunde*innen ihren Verstorbenen und reaktivieren über das Erinnern die Vergangenheit in der Gegenwart. Aktives Erinnern und Gedenken vergegenwärtigt wiederholt und dauerhaft, wer und was in einer familiären, sozialen, religiösen oder nationalen/ethnischen Gemeinschaft nicht in Vergessenheit geraten soll.

Der Tod eines vertrauten Menschen und die damit untrennbar verbundene Performanz von memorialen Praktiken waren und sind fortwährend Anlass kultureller Produktion in Form von individuellen Ritualen, wie etwa dem Besuch persönlicher Gedenkorte, dem Verwahren von Hinterlassenschaften oder dem jährlichen Erinnern an Todestagen. Individuelle memoriale Handlungen begleiten, animieren und ermöglichen den persönlichen Prozess des Erinnerns und integrieren diesen in unser Leben, das nach einer Verlusterfahrung wieder in ruhige Bahnen gelenkt werden möchte.

Literatur, Musik und die Bildenden Künste können durch Bild- und Schriftwerke oder durch Kompositionen Erinnerungen in ästhetische Formate transformieren. Diese können einerseits selbst Erinnerungsarbeit sein und diese im Werk nachvollziehbar machen und andererseits das motivierende Potenzial in sich tragen, selbst persönliche memoriale Formen zu entwickeln.

Die Dialoge zwischen internationalen künstlerischen Werken in den Medien Fotografie, Video/Film, Skulptur, Installation, Grafik und Performance und kulturhistorischen Objekten aus der Sammlung des Museums, entfalten einen kulturhistorischen Referenzraum für die zeitgenössische Kunst, die poetische Trägerin von subjektiven Erinnerungen ist. Neben historischen Zeugnissen und künstlerischen Werken werden wir ausgewählte virtuelle Erinnerungsformate wie Trauerforen im Internet, Erinnerungsvideos auf YouTube und interaktive Webseiten, die individuelle Erinnerungsprozesse initiieren und begleiten, vorstellen. Des Weiteren informieren wir über die Pilotstudie „Familienhörbuch“ des Universitätsklinikums Bonn, die schwer erkrankten Eltern die Möglichkeit gibt, ihre ganz persönliche Lebensgeschichte für Kinder und Angehörige in einem Tonstudio mit einer Hörfunkjournalistin aufzuzeichnen.

Künstler*innen: Christian Boltanski (F) | Karolin Bräg (D) | Sofia Hultén (SE) | Andrew Kotting (GB) | Karsten Krause (D) | Martin Kreuels (D) | Lucy Powell (GB) | Maud Quaedvlieg (NL) | Tina Ruisinger (CH) | Stefanie Silber (D) |Jaan Toomik (ES) | Timm Ulrichs (D) | Catrine Val (D) | Lorenz Widmaier (D) | Dorothee von Windheim (D)

PROJEKTE: Familienhörbuch, Judith Grümmer (D), Dear Photograph, Taylor Jones (CA), Rest in Vinyl / Andvinyly, Jason Leach (GB), Memorabilia, Museum für Sepulkralkultur

Weitere Informationen finden Sie auf der Website des Museums für Sepulkralkultur:

https://www.sepulkralmuseum.de/ausstellungen/sonderausstellungen/memento–im-kraftfeld-der-erinnerungen

Zernetzung
Marco Di Carlo

In allem ist unsere Welt vernetzt. Wir leben auf einem Planeten und erleben, wie fruchtbar und zugleich in seinen Folgen unberechenbar weltweiter Austausch ist. Flora und Fauna, Wasser, Luft, Meere, Klima und natürlich Menschen und ihre Waren zirkulieren; und dies – wie schon seit Jahrhunderten – auch von Krankheitserregern begleitet. Strukturen aller Art formieren und vernetzen sich und stehen in permanenter Verbindung. Parallel dazu laufen stets Prozesse der Zersetzung ab, denn Leben ist Wandel und ein ständiges Nebeneinander von Anfang und Ende.

Der Bildhauer Marco Di Carlo (geb. 1980) wird im Rahmen der Abschlussausstellung seines Georg-Meistermann-Stipendiums das Museum für Sepulkralkultur mit Strukturen aus Kabeln und Objekten durchziehen. Er bindet organisches Material aus Fundstücken ein und gestaltet seine Installationen als symbolisches Miteinander von sich durchdringender Natur, Technik und Kultur. Holz, Knochen oder Felle erlangen in phantastischer Weise durch ihre Integration in ein Gewebe aus Kabeln und elektronischen Bauteilen Momente ihrer Lebendigkeit zurück.

Di Carlos Arbeiten spielen mit der Ambivalenz unserer Existenz. Tod und Leben erfassen wir als unterschiedliche Zustände, doch aus einer evolutionären Perspektive machen diese beiden uns so vertrauten Kategorien kaum mehr Sinn, denn das sogenannte Leben besteht zugleich aus unzähligen Prozessen der Vernetzung und Zersetzung von Molekülen. Der Mensch ist Teil davon und tut es diesen Vorgängen gleich. Er nutzt dafür seine Fähigkeiten als Homo Faber, als ein schaffendes und darin erfindendes Lebewesen, doch der Hochmut des technisch Schöpfenden führt ihn immer wieder an die Grenzen des Möglichen.

In der Erkenntnis menschlicher Begrenztheit gegenüber Natur und Kosmos findet sich die Chance der Demut gegenüber unserer Existenz, die nur in einem ganzheitlichen Verständnis der Welt getragen sein kann. Und so vernetzen und zersetzen auch wir uns, in der Hoffnung auf geistige, ästhetische oder technische Entwicklungen. Diese führen uns hoffentlich nicht nur an den Rand von Erschöpfung, sondern lassen uns in der Akzeptanz unserer Endlichkeit auch das Leben in seinem Wesen verstehen und feiern. Wir sind endlich, weil wir leben, und wir erschaffen, weil das Bewusstsein über unsere Endlichkeit uns dazu befähigt.

Weitere Informationen finden Sie auf der Website des Museums für Sepulkralkultur:

https://www.sepulkralmuseum.de/ausstellungen/archiv/marco-di-carlo–zernetzung

Edith Held

NEUE WELT

Wer erlebt aktuelle Geschichte auf unbefangene Art intensiv? Wer erzählt ehrlich und ist in seiner Schilderung authentisch? Wie kann anschaulicher beschrieben werden, was gerade in der Welt geschieht, als durch Kinder? Über 100 Kinder aus Berliner Flüchtlingswohnheimen wurden für das Fotoprojekt NEUE WELT porträtiert. Alle Kinder erzählen ihre Geschichten in eigenen Worten. Sie handeln von Heimat, Familie, Flucht, einem neuen Zuhause. Die Kinder erzählen von ihren Sorgen, ihren Freuden, ihren Ängsten und ihren Träumen, von Nichtgesagtem oder Unsagbarem.

Die Kinder aus unterschiedlichen Ländern und Kulturen sind

angekommen in einer NEUEN WELT.

Das Fotoprojekt der Fotografin Edith Held (geb. 1966 in Donaueschingen/ DE) entstand in Zusammenarbeit mit Gunter Haedke, Initiator der „galerie auf zeit“ seit September 2014.

Alle Porträts wurden mit einer Mittelformatkamera 6×7 analog fotografiert. Für jedes Kind einen Film. Jeder Film hat 10 Bilder. Alle Porträts entstanden ausschließlich mit natürlichem Licht und sind unbearbeitet.

Die Kinder erhielten ein Polaroidfoto zur Erinnerung.

Recherchieren. Anfragen. Termine vereinbaren. Zustimmungen der Eltern einholen. Koordinieren. Unzählige Fototermine organisieren. Interviews aufzeichnen und transkribieren. Dokumentieren. Übersetzen. Und wieder: nachrecherchieren. Nachfragen. Nachfassen. Nachbessern. Aufschreiben und verständlich machen. Abbilden und sichtbar machen. Nicht alle waren begeistert, nicht alle haben zugestimmt, nicht alle haben unterstützt.

NEUE WELT ist eine Momentaufnahme all jener Kinder, die ihren ganz

persönlichen Teil beigetragen haben.

herman de vries vergehen

Im Schaffen des international renommierten Künstlers

herman de vries (geb. 1931 in Alkmaar/ NL) stehen der Zufall, der Wandel und die permanente Veränderung allen Seins im Zentrum. Seit den 1950er-Jahren experimentiert er mit Zeichnungen, der Malerei, mit Installationen, Publikationen und immer stärker mit natürlichen Materialien, deren Vergänglichkeit er ausstellt. „chance and change“ (Zufall und Veränderung) sieht herman de vries als den Rahmen seines Lebens, aus dem er niemals heraustreten kann.

Seit den 1960er-Jahren hat er viele und lange Reisen unternommen.

Neben der Offenheit zur weiten Welt hin, suchte de vries auch die Intimität der Natur, um dort sein Arbeitsmaterial wie auch seine künstlerischen Methoden zu entdecken. Sein Atelier ist der Steigerwald, wo er bereits seit fünf Jahrzehnten lebt.

Etwas vergeht: eine Blume, ein Leben, die Zeit. Es ist das aktive Moment des Vergehens, das uns herman de vries in seinen Werken offenbart. Mit jedem Schritt, mit jedem Herzschlag, mit jeder Blüte vergeht das Leben in uns und um uns. Es wandelt sich darin, verwandelt seine Gestalt, doch nie sein Wesen. Leben ist Sterben ist Leben. In einem Gedicht erfasst de vries seine Freude über die Lebendigkeit im Angesicht der Vergänglichkeit. „umarmt von der welt werde ich sterben“. Welt ist Teil von uns und wir von ihr.

Im Tanz als Ausdruck der Freude vergehen wir. Welch tröstliches

Bild vom Unausweichlichen.

Daniel Tchetchik

DARK WATERS

Seit Beginn der „Großen Wanderung“ in den 1990er Jahren haben sich Millionen von Menschen auf den Weg nach Europa gemacht. Wie viele bei der gefährlichen Reise ums Leben gekommen sind, weiß niemand. Vor allem das Mittelmeer ist zum Grab für abertausende, oft namenlose Opfer geworden. Den Fotografen Daniel Tchetchik (geb. 1975 in Tel-Aviv/ ISR) hat das Schicksal dieser Menschen keine Ruhe gelassen. Von seinen Reisen und Recherchen rund ums Mittelmeer hat er seinen Fotoband DARK WATERS mitgebracht, in dem andere Bilder der Flüchtlingskrise gezeigt werden, als wir sie kennen.

Die Fotos unterscheiden sich schon dadurch, dass wir – zumindest bis zum kurzen Epilog am Ende des Buches – keinen einzigen Menschen auf ihnen sehen: keine Flüchtenden auf überfüllten Schlauchbooten, keine im Meer treibenden oder am Strand angespülten Leichen, keine Rettungsschiffe, keine Lager, in denen die aus dem Meer gefischten Menschen eingesperrt sind und auf ihr weiteres Schicksal warten.

Stattdessen ist Daniel Tchetchik an verschiedene Küstenorte in Spanien, Italien und Griechenland gereist und blickt vom vermeintlich sicheren Hafen Europa auf das Mittelmeer. Was er sieht, ist das Grauen, das sich vor ihm auftut, das Grauen, das sich beim Blick auf die endlose Weite des Wassers und auf die gegen Felsen schwappenden Wellen einstellt. Der Blick wandert über leer gefegte Strände, über verlassen daliegende Küsten-Orte und Zäune, Mauern und Bunker am Strand,

mit denen sich Europa zu einer Festung ausbaut, die kalt und leer und herzlos wirkt.

Zum Welttag der Suizidprävention am 10. September eröffnete das Museum für Sepulkralkultur eine umfassende Sonderausstellung zum Thema „Suizid“. Die Ausstellung präsentiert Informationen, Anregungen, Herausforderungen und Chancen, die einen gesellschaftlichen und persönlichen Umgang mit dem Suizid reflektieren. Mit Blick auf die Kunst- und Kulturgeschichte, Geistes- und Sozialwissenschaften und die Medizin, vor allem aber auf das Hier und Heute, ist es unser Ziel, eine öffentliche Kommunikation zum Suizid zu forcieren. Eine Buchpublikation sowie ein umfangreiches Begleitprogramm erweitert die Ausstellung in Kooperation mit weiteren Institutionen, Verbänden und Vereinen.

Suizid und Suizidalität sind allgegenwärtig und doch tabuisiert. Sie stellen Symptome psychosozialer Problemlagen dar. Dabei stellen die Allgegenwärtigkeit einerseits und Stigmatisierung sowie Tabuisierung andererseits eine große Widersprüchlichkeit in der öffentlichen Auseinandersetzung mit dem Suizid dar. Dieser Widerspruch macht sich auch in unserem Museum bemerkbar, in dem Hinweise, Dokumente und Gegenstände in eindeutiger Verbindung mit dem Suizid kaum vorhanden oder bekannt sind. Die Ziele der Sonderausstellung sind daher deutlich und drängend: Sie dient der Enttabuisierung und Entstigmatisierung des Suizids und der Erfahrungen und Umstände, die ihn auslösen. Neben der Ausstellung wird es auch ein umfassendes Begleitprogramm und eine Buchpublikation geben. Ein halbes Jahr lang werden das Museum und auch die Partner dieses Gesamtprojektes Ort einer intensiven Auseinandersetzung mit den Gründen für das Unbehagen gegenüber einem selbstgewählten Lebensende sein. Einem Lebensende, das durch eigenes Handeln oder Unterlassen aktiv angestrebt wird und dessen Wahrnehmung zum Teil noch immer historisch gewachsenen Urteilssprüchen folgt und Betroffene mit Fragen und Ängsten konfrontiert.

Vor allem ist es das erklärte Ziel des Projektes, über die Auseinandersetzung mit dem Suizid und das Sprechen über ihn sowie über psychosoziale Problemlagen einen wirksamen Beitrag zur Suizidprävention zu leisten. Mithilfe lokaler, nationaler und internationaler Kooperationen werden innovative künstlerische, kulturelle und wissenschaftliche Beiträge dieses Anliegen stützen. Gemeinplätze und Vorurteile mit ihren positiven oder negativen Konnotationen sollen aufgezeigt und diskutiert werden – historische sowie heutige.

Seit Planungsbeginn ist der führende Suizidologe und Leiter des Nationalen Suizidpräventionsprogramms (NaSPro), Prof. Dr. Reinhard Lindner, Institut für Sozialwesen, Universität Kassel, als wissenschaftlicher Leiter Teil des Projektteams.

Infos zur Ausstellung: www.sepulkralmuseum.de/suizid

Begleitprogramm: https://www.sepulkralmuseum.de/veranstaltungen

TROST

Auf den Spuren eines menschlichen Bedürfnisses

„Wer von uns weiß nicht von Momenten im Leben zu berichten, in denen wir getröstet werden wollten? “
(Jean-Pierre Wils)

Die aktuelle Sonderausstellung „Trost – Auf den Spuren eines menschlichen Bedürfnisses“ vollendet die Ausstellungstrilogie zum Themenfeld Trauer und Gedenken: „Lamento – Trauer und Tränen“ (2019); „Memento – Im Kraftfeld der Erinnerungen“ (2020).

Die Ausstellung betrachtet das Phänomen Trost aus verschiedenen kulturellen, religiösen und künstlerischen Perspektiven und reflektiert, wie wir Verlusterlebnissen und den damit verbundenen Schmerzen begegnen können.

Traditionell gelten Religionen als Fundus des Trostes. Religiöse Rituale und Konzepte geben sowohl Sterbenden als auch Hinterbliebenen Hoffnung und Halt. Doch immer suchten und fanden Menschen auch Trost in der Literatur, in der Poesie der Sprache, die eine empathische tröstende Identifikation und Verbundenheit anbieten kann. Gleichermaßen gilt das auch für die Musik, die uns in heilende Resonanzen und andere Dimensionen versetzen kann. Auch die Natur, die Begegnung mit Tieren oder Erinnerungsstücke können Wegbegleiter durch ihre Gegenwart in Zeiten des Schmerzes sein. Ein menschliches Miteinander, Trostgespräche, Nähe und Gemeinschaft tragen vielfach dazu bei, dass das Leid gelindert werden kann.

Über zeitgenössische künstlerische Exponate und kulturhistorische Artefakte ermöglicht die Ausstellung den Besucher*innen ästhetische und sinnliche Erfahrungen sowie intellektuelle Zugänge, um das Thema Trost in seiner Komplexität greifbar zu machen.

Präsentiert werden Grafiken, Fotografien, Videos, Hör- und Klang-Installationen sowie skulpturale Interventionen von: Mulugeta Ayene (ETH), Nancy Borowick (USA), Dominic Boyer (USA), Nicola Brand-Distelhoff (DEU), Bazon Brock (DEU), EMPFANGSHALLE – Corbinian Böhm / Michael Gruber (DEU), Dirk Franz (DEU), Hamish Fulton (GBR), Jiaqi Hou (CHN), Cymene Howe (USA), Wolf von Kries (DEU), Alfons Mühlenbrock – Die Grüne Manufaktur (DEU), Terhi Nieminen (FIN), Mads Nissen (DNK), Christiane Rath (DEU), Kerstin Röhn (DEU), Jérémy Lempin (FRA), Gideon Mendel (ZAF), SCHAUM (DEU), THERE THERE Company (BEL), Oliver Vogt (DEU), Stefan Weiller (DEU)

Was vom Ende bleibt

Fotografien von Tina Ruisinger

Die Fotografien von Tina Ruisinger zeigen uns, was vom menschlichen Körper nach einer Kremation übrigbleibt. Es sind sensible Aufnahmen von 50 menschlichen Aschen sowie großformatige Porträts von Objekten, die zu Lebzeiten meist einen medizinischen Nutzen für die Verstorbenen hatten. Die Ausstellung wird am 1. Dezember im Museum für Sepulkralkultur eröffnet.

Die 1969 in Stuttgart geborene Fotografin Tina Ruisinger arbeitet seit den frühen 1990er-Jahren in den Bereichen Reportage, Porträt und Tanzfotografie. Auch interdisziplinäre Kunstprojekte gehören zu ihrem Schaffen. Die Auseinandersetzung mit der Endlichkeit des Lebens hat hierbei einen hohen Stellenwert. Im Rahmen eines außergewöhnlichen Projekts hat sie die menschlichen Überreste nach einer Feuerbestattung ‚porträtiert‘.

Der Zyklus „50 Aschen“, den das Museum für Sepulkralkultur für seine Sammlung ankaufen konnte, besteht aus Fotografien, die menschliche Asche sowie darin beinhaltete Implantate wie Herzschrittmacher oder künstliche Gelenke zeigen. Auch mit in die Kremation gegebene Beigaben wie Brille, Taschenmesser oder Golfschläger haben das Interesse von Tina Ruisinger geweckt. In einem ersten Schritt hat sie die kompletten Überreste, die rein technisch im unteren Bereich des Kremationsofen auf einem Rost aufgefangen werden, fotografiert. Die Vielfalt der Ansichten des doch vermeintlich immer gleichen Materials aus Knochenresten und Asche überrascht: In Form und Farbe scheint eine vermeintliche Individualität des Leichenbrands aufzuscheinen. Sind dies Projektionen des Betrachters, der weiß, dass es die Aschen von 50 Menschen sind, die in ihren Särgen verbrannt wurden? Oder zeigt sich hier nicht tatsächlich die Einmaligkeit eines jeden Individuums in seinen Überresten?

Fotografien von Implantaten

Neben den 50 Aschen hat Tina Ruisinger auch Implantate fotografiert. Vor schwarzem Hintergrund schweben die von Asche befreiten Objekte wie unbekannte Gegenstände aus fremden Kulturen. Manches gibt sich in seiner ursprünglichen Funktion zu erkennen, und anderes wirkt tatsächlich so, als seien es Funde aus archäologischen Grabungen oder gar extraterrestrischen Zivilisationen.

„Was vom Ende bleibt“ ist eine sinnlich-ästhetische Reise in die Welt der Feuerbestattung. Sie ist zugleich Dokumentation und Wunderkammer. Sie ist eine phänomenologische Bestandsaufnahme einer alltäglichen Praxis, ohne technische Vorgänge abzubilden. Tina Ruisinger hat mit ihren Fotoapparaten und Objektiven genau hingeschaut, um zu objektivieren, was für die durch den Tod eines Angehörigen betroffenen Menschen höchst subjektives Leiden und individuelle Trauer bedeutet.

Tina Ruisinger, 1969 in Stuttgart geboren, hat an der Hamburger Fotoschule, am International Center of Photography in New York und an der Zürcher Hochschule der Künste studiert. Seit 1992 arbeitet sie als freischaffende Fotografin in den Bereichen Reportage, Porträt und Tanz, sowie an interdisziplinären künstlerischen Projekten unter Verwendung von Fotografie, Video, Sound und Text. Schwerpunkt ihrer Arbeit war immer der Mensch in seiner Lebenskraft, Unbeständigkeit und Sterblichkeit. So erzählt etwa das Buch „Traces – eine Spurensuche“ (2017) von den Dingen, die zurückbleiben, wenn ein Mensch stirbt. Ruisinger hat zahlreiche Preise und Stipendien gewonnen und ihre Arbeit international sowohl in Einzel- als auch in Gruppen-Ausstellungen gezeigt. Seit 2018 arbeitet sie vermehrt künstlerisch und fototherapeutisch mit Menschen im letzten Lebensabschnitt und bildet sich fortlaufend in Fototherapie, Palliative Care und Sterbebegleitung weiter. Tina Ruisinger lebt und arbeitet in Zürich und Berlin.

Adresse

Museum für Sepulkralkultur
Weinbergstraße 25–27
34117 Kassel
T. +49 (0)561 91893 0
F. +49 (0)561 91893 10
info@sepulkralmuseum.de
www.sepulkralmuseum.de

Öffnungszeiten

Dienstag 10.00 – 17.00 Uhr
Mittwoch 10.00 –20.00 Uhr
Donnerstag bis Sonntag 10.00 – 17.00 Uhr

Jeden Mittwoch findet um 18.00 Uhr eine öffentliche Führung statt.